Wenn Anleitungen einen in die Verzweiflung stürzen


Eine Anleitung für Nähanfängerinnen – ist doch gelacht!



Ich durfte ja schon mit ca. 6 Jahren das erste mal an die Nähmaschine meiner Großmutter. Sie ist diejenige, die mir so ziemlich alles beigebracht hat, was ich in puncto Handarbeiten weiss. 

 

Meine 4 Jahre ältere Schwester kam einmal mit einem selbstgestrickten Teddy aus der Schule zurück und ich wollte nicht nur auch so einen haben, sondern wissen, wie man ihn macht. Der Gedanke, mir dann unendlich viele Teddys stricken zu können, war für eine 6-jährige einfach berauschend. So brachte mir meine Großmutter Stricken bei. Und ich strickte mir einen roten Teddy. Dann folgten Klamotten für meine Puppen und Barbies. 
Als Teenie, mitten in den 70iger Jahren, waren wir alle vollkommen dem Hippielook verfallen. Ich hatte zwar keine Nähmaschine, aber das hielt mich nicht davon ab, mir alte Bettlaken zu schnappen, lila Stofffarbe (was damals noch mit 2 ‚f’s geschrieben wurde), Eimer, Salz und Holzlöffel, um das Laken zu batiken und mir dann einen Kaftan daraus zu nähen. Am liebsten hätte ich mich darin konfirmieren lassen, aber meine Eltern waren dagegen. Allerdings war mein Konfirmationsoutfit nicht minder peinlich für meine Mutter. 

 

Ich habe mit manch langjähriger Unterbrechung immer genäht – alles ohne je Kurse besucht zu haben, weil ich leidenschaftliche Autodidaktin bin. Ich habe Burdaschnitte genäht, Vogue Patterns, Simplicity, Schnittquelle und vor allem in den letzten Jahren auch Schnittvision. Ich machte mich auch mit Packpapier, Geodreieck, Lineal, Massband, Bleistift und Taschenrechner an die Erstellung eigener Grundschnitte. Das lief nicht immer reibungslos ab, aber ich bekam es hin und würde mich als eine erfahrene Näherin bezeichnen. 
Immer auf der Suche nach schönen Schnitten, die mal anders als meine vorherigen sind, stiess ich vor ca. 2 Wochen auf die Seite ‚Wardrobe by me‘. Ich fand ein paar schöne Schnittmuster und entschied mich, als erstes für eine Shorts. Das Schnittmuster konnte ich als PDF runterladen zusammen mit einer ausführlichen, bebilderten Ste-by-Step Anleitung. 

 

Ich las dazu noch die Kommentare von Näherinnen, die schwärmten, wie toll die Shorts ist und das die Anleitung so großartig erklärt ist, dass sie es als Anfängerinnen ohne Probleme hinbekommen hatten. 
Ich war bester Dinge und es dauerte keine 30 Minuten, bis ich an der Anleitung schier verzweifelte. Ich verstand nichts mehr. Es begann bei den Taschen. Hier muss ich allerdings zugeben, dass ich die Angaben auf den Schnittteilen nicht gelesen hatte. Anstatt die Taschenbeutel aus Futter zuzuschneiden, hatte ich sie aus meinem Stoff gemacht. Das lließ sich schnell beheben. Dann ging es weiter, aber da lauerte schon das nächste Problem. Wie soll ich die Dinger jetzt anbringen? Ich wusste ja eigentlich, was zutun wäre, aber ich klebte noch an der Anleitung, bereit etwas Neues zu lernen. Nach einigen Versuchen entschied ich mich, den Teil der Anleitung zu überspringen und die Taschen so einzusetzen, wie ich es für richtig hielt. Und es klappte. 



Dann zum Hosenreissverschluss. Auch da greife ich gern auf ein Lieblingsvideo auf Youtube zurück, was mir immer einen perfekten Reissverschluss beschert. Das gilt allerdings nur für angeschnittene Belege. Die Belege der Shorts sollten angesetzt werden. 
In meinem Kopf waberten immer wieder die Kommentare der Näherinnen herum 
: ’so einfach‘, ‚tolle Anleitung‘, ‚endlich verständlich erklärt’….. Warum, zum Henker, kapierte ich das nicht? Ich verbrachte Ostersonntag nachmittags auf dem Sofa und schaute mir diverse Videos zu Hosenreissverschlüssen an. Bei einem Massschneider fand ich zumindest endlich eine Anleitung für angesetzte Belege, nur wenn die Teile alle dunkelblau und schwarz sind, ist man spätestens ab Schritt 3 hoffnungslos verloren. 



Ich machte mich wieder an die Shorts, las nochmals die Originalanleitung durch, war kurz davor alles in die Ecke zu pfeffern, bis ich mir sagte: Es reicht! Ich nähte also die Belege an, bügelte alles  schön, suchte mir mein Haus- und Hofvideo und nähte den Reissverschluss ein. 
Der Rest der Shorts war selbsterklärend und ich konnte sie gestern fertigstellen.
Zurück bleibt für mich aber die Frage, weshalb ich manchmal mit Anleitungen, die Anfänger scheinbar mühelos verstehen, solche Schwierigkeiten habe. Es liegt in diesem Fall auch nicht daran, dass die Anleitung auf Englisch war. Ich war viele Jahre Übersetzerin für Englisch/Deutsch. 
Und noch eine Frage: Was sollte ich mit diesem kleinen Teil, einem Beleg machen? 

Erinnert mich irgendwie an die Inspektionen von Flugzeugen. Alles wird auseinandergenommen und dann wieder zusammengebaut. Am Ende bleiben 2 Schrauben übrig und keiner weiß, wo sie hingehörten. Das sind immer so Gedanken, wenn meine Flugangst wieder durchkommt. Bei Shorts ist das nicht ganz so dramatisch.



Der ist übrig geblieben und ich habe keine Ahnung, wo er hin sollte. Dafür habe ich aus den Taschenbeuteln, die ich irrtümlich anfangs aus dem Stoff anstatt Futter zugeschnitten hatte, mir Hosentaschen für hinten gemacht. Hosen, Shorts ohne hintere Hosentaschen – nur in Ausnahmefällen. 

 

Für die Fotos habe ich übrigens auf extra cool und Laissez-Faire gemacht. Draußen schneite es kurz vorher und ich wollte die Shorts fotografieren. Das Muster des Stoffes hat mich irgendwie an die Côte d’Azur erinnert. Fragt nicht warum. Darum habe ich alles an Requisiten rausgekramt, was auch nur ansatzweise dazu passte.

Schnitt: Frida Shorts von Wardrobe by me
Stoff: Aachen Stoffe
Bluse: Schnitt von Schnittvision, Stoff ???

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Lets rock at MMM und MMI

12 Kommentare zu „Wenn Anleitungen einen in die Verzweiflung stürzen

  1. Schön, dass ich deinen Blog über den MMM gefunden habe. Tolle Teile hast du genäht und auf wunderbaren Bilder präsentiert.
    Deine Shorts gefallen mir ausgesprochen gut.
    LG Martina

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  2. Liebe Martina,
    dass freut mich sehr! Vielen Dank.
    Ich warte jetzt auf wärmeres Wetter, damit ich sie auch mal anziehen kann. Beim Fotografieren haben ich mächtig gefroren. 🙂
    Liebe Grüße, Julia

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  3. Toller Beitrag mit tollen Fotos! 🙂 Ich finde es immer sehr spannend zu hören, wie die Näherinnen zu ihrem Hobby gekommen sind – danke für die Geschichte! Lustig, ich habe mich jetzt erinnert, dass ich mit fünf ein kleines Täschchen gemeinsam mit meiner Oma genäht habe – mit einem süßen gelben Kücken drauf… Dann hab ich allerdings laaaaange nicht genäht: 25 Jahre, ausgenommen ein paar Kleinigkeiten in der Schule 🙂 Ach ja, und die Anleitungen… Es gibt solche und solche 😀 Zum Glück hat wenigstens der Schnitt gut gepasst – schlimm ist, wenn gar nichts hinhaut 🙂
    Liebe Grüße
    Juli (blaue Seide)

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  4. Da hast Du recht. Anleitungen sind so eine Sache und glücklicherweise weiß ich von anderen Nähbloggerinnen, dass es ihnen nicht anders geht. Aber für Anfänger ohne Erfahrungen ist das oft nicht wirklich leicht.

    Liebe Grüße, Julia

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  5. Hallo Juli, die Erfahrung, dass am Ende gar nichts mehr passt, hatte ich auch schon. Ich bin froh, dass ich mittlerweile die Erfahrung habe, das eine oder andere noch retten zu können.
    Ich freue mich, dass ich Dir zu der Erinnerung verhelfen konnte. Während des Schreibens kamen bei mir auch noch Neue dazu. Das ist wirklich schön.

    Liebe Grüße, Julia

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  6. Danke. Ja, Du hast recht. Der Nachteil war, dass ich dieses Sommerteil hatte, es draußen aber mal wieder schneite. Ich habe gefroren und mich zwischendurch mit einer Daunenjacke gewärmt. Also Modell wäre echt nix für mich. Aber für den Blog bringt es wirklich Spaß.
    Ich hoffe auch auf die Rückkehr des Frühlings/Sommers und betrachte das momentane Wetter einfach als Ablösungsprozess vom Winter. Der April darf das, aber nur noch gerade eben 😉
    Liebe Grüße, Julia

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  7. Das mit den Anleitungen kenne ich gut. Dann grübelt man und denkt nach. Frau will ja alles richtig machen. Die Shorts ist toll geworden. Das mit dem Wetter liegt leider nicht in unserer Macht. Wir hatten hier gestern Schnee und heute früh wieder vereiste Scheiben. Der Mai macht hoffentlich wieder Frühling. Dir noch einen schönen Freitag. Herzlichen Gruß Sylvia

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  8. Hier ist es nachts auch noch sehr kalt und friert. Wenigstens scheint jetzt aber wieder die Sonne. Tatsächlich grübel ich bereits wieder über der nächsten Anleitung. Vielleicht sollte ich häufiger Anleitungen lesen, um einfach mal ein Basiswissen zu entwickeln. Hinzu kommt eine plötzlich auftretende Links-/Rechtsschwäche und das nicht bei den Stoffseiten, sondern bei den Teilen. Aber solange ich mich auf meinen Instinkt verlassen kann, muss erstmal nichts in die Tonne.
    Dir auch einen schönen Freitag, liebe Sylvia.

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