Über Depressionen



Ich war jetzt eine Weile inaktiv auf meinem Blog und an meiner Nähmaschine. Einzig habe ich ein paar Klamotten geändert. Der Grund für meine Abwesenheit ist meine wiedergekehrte Depression. Wer meinen Blog verfolgt, hat mich in erster Linie als einen lebensbejahenden und eher fröhlichen Menschen erlebt. Ich hatte auch schon ein, zwei Durchhänger publik gemacht, aber bisher ist nirgends auf meiner Seite etwas über meine seit Jahren bestehende Depression zu lesen. Ich habe mich bis heute entschieden, nichts darüber in diesem Blog zu schreiben, doch jetzt drückt mich die Depression so sehr in die Knie, dass die letzten Tage für mich fast unerträglich waren. 

Vielleicht fehlte es mir auch bisher an Vorbildern in den mir bekannten Kreativblogs, die nicht nur über ihre tollen Projekte schreiben. Ich war immer ganz erfreut, wenn ich in manchen Blogs über Missgeschicke las, die so wunderbar ehrlich und dennoch durch einen gewissen Abstand auch lustig zu lesen waren. Ich kann mich darin selbst erkennen. Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Ich habe viel Interesse an den den tollen Bloggern, die über ihr Leben schreiben und das, was sie machen. Meine Bookmarks sind voll davon. Ich glaube mir geht es einfach darum, auch unter den vielen Bloggern über eine Seite zu schreiben, die es eben auch gibt und ganz ehrlich – ich hoffe, dass es nicht Vilen so geht, wie mir. 

Neben meiner kreativen Seite, die näht, malt, Glas schneidet und noch so viel ausprobieren will, ist leider auch die Seite, die zu Depressionen neigt. Diese Depressionen legen alles lahm. Sie begannen ganz massiv vor mehr als 16 Jahren, als ich mit einer dazugehörigen Angststörung meinen bisherigen Job als Marketing-/Vertriebsassistentin aufgeben musste. Schon der Job, der nie mein Fall war, trug maßgeblich zu meinem damaligen Zusammenbruch bei. Ich bin eben ein kreativer Mensch, der gern Dinge mit den Händen macht, Ideen entwickelt und völlig deplaziert in einem Büro ist. Dennoch wählte ich damals diesen Weg, weil ich alleinerziehende Mutter von 2 Söhnen war, mein Exmann spurlos verschwunden und somit auch kein Unterhalt gezahlt wurde. Also gab ich meinen eher unsicherern Beruf als freiberufliche Übersetzerin für Filme und Serien auf, um mir eine Festanstellung zu suchen. 
Ich war erfolgreich in meinem Job, verdiente gutes Geld und jonglierte zwischen Vollzeitjob und 2 pubertierenden Kindern mein Leben. Das ging ca. 2 Jahre einigermaßen gut. Dann brach alles zusammen. Es folgte ein mehrwöchiger Klinikaufenthalt mit anschließender ambulanter Therapie. Meine Mutter, die damals extra aus Hamburg zu uns nach Hessen kam, kümmerte sich um meine Kinder. Mein Partner stand mir, wo er konnte zur Seite. Und meine Freundin, die ich heute nie wieder missen will, war mir eine große Hilfe. Es dauerte viele Jahre, bis ich wieder einigermaßen auf den Beinen war. Meinen Beruf/Job kann ich nicht mehr ausführen und beziehe seit einigen Jahren eine Erwerbsminderungsrente. 
Das alles wollte ich hier eigentlich nie schreiben und vielleicht lösche ich diese Seite bei Zeiten auch wieder, doch gerade jetzt, wo meine Depression mit einer solchen Macht wieder da ist, möchte ich darüber schreiben, weil es mir Erleichterung bringt. Und ich möchte mich an dieser Stelle auch gegen den ständig herrschenden Perfektionismus aussprechen, der meines Erachtens besonders bei Frauen sehr stark ausgeprägt ist. Wir – und ich zähle mich leider noch immer dazu, wenn auch vielfach abgemildert durch jahrelange Therapie – wollen die perfekten Mütter, die perfekten Partnerinnen/Ehefrauen, die perfekten Berufstätigen und stets attraktiven Frauen sein. Dieses Bild wird von den Medien noch zusätzlich gefördert. 
Ich rege mich darüber auf, dass mir im Fernsehen eine Moderation sagt, wo meine Problemzonen sind. Es ärgert mich, wenn von Frauen berichtet wird, die angeblich spielend Beruf und Familie unter einen Hut bekommen, weil ich mich dem gegenüber immer als Versager fühle. 
Natürlich gibt es solche Frauen, aber sind sie wirklich der Maßstab? Können denn nicht auch andere Frauen daneben bestehen, die eben nicht alles allein schaffen und dennoch stark sind? In ihrer Schwäche Stärke zeigen? Mir ist bewußt, dass es Männern im Leben auch nicht leicht haben und vielleicht schreibe ich irgendwann mal meine Gedanken dazu auf, doch hier geht es jetzt um mich.

In einem Blog las ich neulich von einer jungen Frau, die sich eine Bluse genäht hatte und ein wenig enttäuscht darüber war, dass sie nicht auf dieses selbstgemachte Stück angesprochen wurde. Sie hatte beim nähen einige Schwierigkeiten gehabt und war nun ganz zurecht stolz auf diese Bluse. Sie schrieb aber, dass keiner fragte, ob sie sie selbstgemacht hatte. Als ich das las, wurde mir meine eigene Haltung bewußt. Wenn ich etwas nähe und mich fragt jemand, ob ich das selbstgemacht habe, frage ich mich (manchmal auch direkt zurück), ob man das denn sehen würde. Ich glaube dann immer, dass an irgendeiner Stelle etwas nicht richtig ist. Was ist das für eine schräge Haltung meinerseits? Ich weiss auch nicht, ob noch jemand solche Reaktionen oder Gedanken hat, aber ich kenne sie nur allzu gut. Und mit dieser Haltung beginne ich oft neue Projekte, die eine so hohe Messlatte haben, dass ich sie nie erreichen kann. Wenn es mir gut geht, ich die innerliche Kraft habe, setze ich mich hin und übe (ich bin passionierte Autodidaktin). Ich arbeite auch so lange an einer Sache, bis ich damit zufrieden bin. Das geht eben, wenn es mir gut geht und ich auch einigen Frust wegstecken kann. Aber warum nicht auch mal etwas mit Stolz tragen, was eben nicht perfekt ist?